Besser Leben ohne Kohle in der Lausitz und Kolumbien – Bericht von der ersten Radeltour

Energiepolitische Radtour – ein Samstag in der Lausitz

Vom Treffpunkt, dem Bahnhof Kerkwitz, startet die Gruppe aus Interessierten und Aktivist*innen unter fachlicher Leitung von Andreas Stahlberg (Angestellter bei der Gemeinde Schenkendöbern, Fachbearbeiter für Bergbaubedingte Sonderaufgaben). Die Tour führt uns durch kleine Dörfer und entlang von Sommerwiesen. Über uns ein lückenhaftes Grau, vor uns der Tagebau. Die Auswirkungen des Kohleabbaus erleben wir umgehend an abgesackten Asphaltstraßen, trockenen Kuhweiden und Rissen in Häusern, welche durch die Absenkung des Grundwasserspiegels verursacht wurden.

Durch erhöhte Sulfat-Belastungen kommt es in Brandenburg und Berlin zu einer Verschlechterung der Trinkwasserqualität. Die Zunahme der Eisenocker-Konzentration führt zusätzlich zum Phänomen der „Braunen Spree“.

Informationen zum Tagebau Jänschwalde:
2007 gab Vattenfall Pläne bekannt, den Tagebau Jänschwalde ab 2019 nach Norden auszuweiten. Dabei wären Kerkwitz und 2 Nachbardörfer abgebaggert worden. Der neue Tagebau-Eigentümer LEAG verkündete im März 2017, auf diese Tagebau-Ausweitung zu verzichten. Offiziell waren wirtschaftliche Erwägungen ausschlaggebend, doch die jahrelangen massiven Proteste der Bevölkerung sind sicherlich in der Kalkulation berücksichtigt worden. 

Für einen Abstecher nach Polen überqueren wir die im 2. Weltkrieg stark beschädigte Neiße-Brücke nahe Groß Gastrose. Zum Mittagessen kehren wir im polnischen Markosice ein, in dessen Umgebung ein riesiger Tagebau in Planung ist. Die benachbarten deutsch-polnischen Aktivist*innen arbeiten eng zusammen. Bei Pierogi und Tomatensalat geben sich Themen wie Klimacamps und Erfahrungen von Aktivist*innen des Widerstands die Hand.

Die Kolumbianer*innen Catalina und Samuel berichten über die verheerende Situation in ihrem Land. Das Unternehmen El Cerrejón betreibt im Nordosten Kolumbiens im Bundesstaat Guajira einen der größten Steinkohletagebaue Lateinamerikas. Die Folgen des Kohleabbaus: ganze Dorfgemeinschaften werden umgesiedelt und ihrer Lebens- und Wassergrundlagen beraubt, riesige Landstriche verwüstet. Die betroffenen Menschen werden in Städte gebracht, wo sie ihrer landwirtschaftlichen Arbeit nicht mehr nachgehen können. Protestierende und Aktivist*innen bringen sich in eine lebensbedrohliche Situation. So wurden bspw. in der Region Cesar seit 2006 etwa 3100 Gegner*innen des Kohleabbaus von paramilitärischen Gruppierungen ermordet und 55000 Menschen von ihrem Land vertrieben. Tagebau-Besetzungen als Mittel des zivilen Ungehorsams, wie wir es aus Deutschland kennen (Ende Gelände), sind dort unvorstellbar.

„Wir diskutieren nicht über den Klimawandel, wir leben ihn“ – Catalina Caro Galvis

In Deutschland und Kolumbien agieren die Unternehmen ähnlich, die Kohleförderung auch gegen die Interessen von Mensch und Natur durchzuführen. Die damit verbundenen Auswirkungen auf selbige wird in Kolumbien oft auf den Klimawandel geschoben.
Hierzulande gibt es viele Umweltgesetze, auf die sich Bürger*innen stützen können. Zudem gibt es einen aktiven, zugänglichen Austausch von Fachwissen, während es in Kolumbien mit vielen Hürden verbunden ist, an Informationen zu gelangen. Der jahrzehntelange Kampf gegen Umweltzerstörung in Deutschland zeigt nun auch in der Lausitz Erfolge. Nicht nur, daß die Jänschwalder Tagebau-Erweiterung gestoppt werden konnte. Sondern die Landes- und Kommunalpolitik ist sich mittlerweile bewußt, daß die gesamte Lausitzer Braunkohleförderung aufgrund der Umweltproblematik in wenigen Jahren enden muß und enden wird. Umstritten ist jedoch der Zeitplan und unklar ist, wie der allseits geforderte „Strukturwandel“ konkret aussehen könnte.

Mit der WANDELWOCHE und der RADELWOCHE begeben wir uns auf die Suche nach Alternativen in Wirtschaft und Zusammenleben. Medial dominieren in der Lausitz derzeit die üblichen Ansätze, bei denen es schlicht um die Ansiedlung neuer Arbeitsplätze in Industrie und Tourismus geht. Es gibt kein Hinterfragen von kapitalistischer Wachstumspolitik, von Massenkonsum, von entfremdeter Arbeit. 

Doch gerade dieses Hinterfragen ist für die WANDELWOCHE interessant. Bei unserer Suche haben wir bereits Aktivist*innen in Cottbus getroffen, die sich mit diesen Themen beschäftigen. Im Laufe des langen Lausitzer Strukturwandels werden sicherlich noch viele Menschen das Bedürfnis entwickeln, Alternativen auszuprobieren.

Unser Ziel bei der Radtour, der Aussichtspunkt Grießen mit Blick in den Tagebau Jänschwalde, erleben wir als einen Ausblick in eine spannende Zukunft, in der sich das Braun in Grün verwandeln kann – der Regen über uns spielt sein Lied dazu und wäscht den Feinstaub aus der Luft.

  • Catalina Caro Galvis, Expertin für Bergbau, Umwelt-NGO Censat Agua Viva aus Bogotá, www.censat.org/es/sobre-nosotros
  • Samuel Arregoces, Organisation der vom Kohlebergbau vertriebenen und betroffenen Afrokolumbianer*innen in der Region Guajira

Berichte und Materialien:

Veranstaltet von:
www.power-shift.de
www.bbb.wandelwoche.org
www.venrob.org
Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag
www.buko.info

Die Veranstaltung war Teil der dreiwöchigen Rundreise „Paremos La Mina! – Besser Leben ohne
Kohle“. www.besser-leben-ohne-kohle.info

Eindrücke von der Tour

[AFG_gallery id=’12‘]